Die Rede der weisen Katze Purzel zu Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und einer Welt, in der wir alle in Respekt voreinander leben können, dürft Ihr gerne teilen.

„Es gibt eine Aufgabe, die möchte ich Euch Jungen mitgeben, eine große Aufgabe:
Man sollte meinen, nach Hitler und nach all den KZs und Perversionen, Sadismen, Kriegen und Unmenschlichkeiten der Zeit damals würden die Zweibeiner endlich verstehen, was wirklich wichtig ist. Einander achten. Füreinander da sein. Miteinander arbeiten, miteinander feiern. Katzigkeit halt, oder eben Menschlichkeit, darauf kommt’s doch an. Aber es geht schon wieder los. Da wird dieses Land Syrien in Schutt und Asche gelegt, und wenn die armen Ausgebombten und Zukunftslosen dann zu uns kommen, unter Lebensgefahr, um doch noch eine Zukunft zu haben, für sich und für ihre Kinder – dann schreien manche Menschen sogar, man solle die Grenzen schließen und sie zurückschicken in den Krieg. Wenn ich richtig informiert bin, ist eine von denen, die am lautesten geschrien haben, die Enkelin von einem Minister Hitlers, und die Leute schütteln nicht die Köpfe und sagen: ‚Nie wieder!‘, stattdessen verbreiten sie das kranke und gefährliche Zeug im Internet.

Viele Zweibeiner, die tun sich so fürchterlich schwer mit der Menschlichkeit. Dabei zeigen wir Katzen ihnen doch jeden Tag, wie’s geht.

Steckt einen Perser und einen Siam zusammen, eine Britisch Kurzhaar und eine Nacktkatze – die werden sich anfauchen, sich beschnüffeln und sich mehr oder weniger vertragen. Aber ‘Rassen’ – welche Katze interessiert sich für so etwas Unwichtiges wie ‘Rassen’?

Wenn sich Katzen aus den unterschiedlichsten Ländern treffen, wie wir heute: Wer langweilt denn da den anderen mit so unwichtigem Zeug wie Nationalität und Religionszugehörigkeit? Allein das Wort – da verschlucke ich mich ja dran, gebt mir mal ein bisschen Lachspaste, bitte, damit ich meine Stimmbänder wieder ölen kann. Wir erzählen einander unsere Erlebnisse, wir lecken uns gegenseitig das Fell, und wir teilen unsere Katzenmilch. Das ist doch nichts Besonderes, nur manche Menschen tun sich da so schwer damit.

Meine Vorfahren kommen vom Bauernhof, und der Luca ist ein königlicher Siamkater. Na und? Wir kuscheln trotzdem zusammen. Für uns Katzen ist eine Katze einfach eine Katze, und fertig.

Manche Menschen haben in dieser Hinsicht echt Nachholbedarf. Bitte helft ihnen!

Ich habe nur mehr ein paar Jährchen hier auf dieser Erde. Vielleicht sogar noch weniger, ich bin ja schon zwanzig. Und drei Monate. Da schlackert der Körper so um einen herum, tut weh und man kann sich nicht mehr auf ihn verlassen.

Darum sage ich’s heute Euch, Euch Jungen: Macht ihnen vor, wie es geht! Habt viel Geduld mit ihnen, denn Menschen kapieren nicht so schnell wie Katzen, die brauchen ja auch zwanzig Jahre, bis sie erwachsen sind, und manche brauchen noch viel länger oder schaffen’s nie. Und wenn Ihr einen Menschen findet, der freundlich und liebevoll ist, nicht nur zu seinen Kindern und seiner Gruppe, sondern einfach so, dann kuschelt Euch in seinen Schoß und schnurrt ihm zu, dass er nicht zusammenbricht, wenn er all das Leid sieht, das Menschen Menschen antun können, sondern weitermacht und weiterhofft. Damit die Welt ein besserer Platz wird, hm – der Satz ist jetzt aber nicht von mir, wo hab‘ ich den denn schon gehört?“

Sie fuhr mit ihrer mageren Pfote übers Näschen, schnurrte leise und fuhr fort: „Und jetzt, Ihr Lieben, feiert zusammen! Das Leben ist etwas ganz unfassbar Schönes, selbst wenn man Arthritis hat und der Körper nicht mehr mitmacht. Ich kann gar nicht genug bekommen vom Leben! Ich hab’ Euch so lieb.”

Sie streckte sich noch einmal, lächelte in die Runde, dann rollte sie sich zusammen, so gut es ihr arthritischer Rücken noch zuließ, und kurz darauf hörte ich sie leise schnarchen.

Sie schlug erst wieder die Augen auf, als wir am Ende des Fests alle zusammen sangen:

Imagine all the people
Living life in peace…

Da lächelte die weise Purzel und sang mit uns Jungen mit. Falsch, aber so laut, wie wir es ihr gar nicht mehr zugetraut hätten.

(aus dem 3. Coco-KatzenKrimi „Nazi-Allergie“, an dem ich gerade arbeite)