[Anmerkung vom 21. August: Ich bin überwältigt von diesen vielen lieben Kommentaren, von so vielen lieben Menschen, die ihre Katzen begleiten und auch im Alter nicht im Stich lassen, sondern sie wertschätzen. 69 Kommentare habe ich gerade bestätigt – danke an Euch alle! Ich will versuchen, jeder und jedem Einzelnen zu antworten. Gebt mir ein bisschen Zeit dafür.  Liebe Grüße an Euch und Eure Katzen von Marianne.]

Nein, einfach ist es nicht mit einer uralten Katze. Es ist nicht nur so, dass halt ihr Fell etwas struppiger wird und sie nicht mehr so oft spielen möchte.
Es geht an die Substanz.

Ich weiß das, weil ich mit Purzel zusammenlebe, die jetzt 20 Jahre und fast vier Monate ist, die so etwas wie ein Pflegefall ist. Und das bedeutet, dass ich nur höchstens einmal für ein paar Stunden weg kann, zum Beispiel zu einem Kunden – nur ein paar Stunden höchstens, nicht einmal für einen Tag.

Es geht an die Substanz, wenn morgens die erste Tätigkeit, noch vor dem Frühstück, darin besteht, Purzels Hinterlassenschaften aufzusammeln und den Boden zu reinigen, weil sie inzwischen unsauber geworden ist. Ihr den Hintern mit Babytüchern zu putzen und sie täglich zu einem Sitzbad mit Ringelblumenessenz zu überreden, das sie nicht abkann. Wenn man am Sonntagnachmittag, während die anderen ins Schwimmbad gehen, dampfreinigend durch die Wohnung zieht, um die Böden wieder halbwegs sauber zu bekommen – das ist nicht so hübsch und so idyllisch wie man sich das Leben mit einer älteren, weise gewordenen Katze so vorstellt.

Es geht an die Substanz, wenn die Seniorenkatze acht- oder zehnmal am Tag gefüttert werden muss, damit sie nicht weiter abnimmt. Und mäkelig ist sie geworden, natürlich. Das Futter, das sie gestern mochte, lässt sie heute stehen. Sie wankt mit ihren arthritischen Beinen zwischen drei oder vier Näpfen mit den unterschiedlichsten Angeboten, rümpft das Katzennäschen und miaut, als würde man sie verhungern lassen. Ja, das Diätfutter gegen ihren Durchfall, das interessiert sie schon überhaupt nicht. Dafür liebt sie die Schleckpaste, von der die Tierärztin dringend abgeraten hat, weil sie den Durchfall verschlimmert.

Wäre ich irgendwo angestellt, könnte ich nicht so für Purzel sorgen, wie sie es braucht, um weiterzuleben. Ich bin selbstständig und kann zwischendurch immer wieder einmal vom Büro in die Wohnung gehen, sie füttern, sie putzen, nach ihr sehen. Allerdings muss das koordiniert werden. Und nicht jeder hat dafür Verständnis. Eine Hundetrainerin, die es also besser wissen sollte, weil sie selbst für Tiere verantwortlich ist, kam zu mir zum Workshop, und weil der Stunden dauerte und sie mit ihren Hunden auch zum Abendessen blieb, bat ich sie um Verständnis, dass ich zwischendurch einmal Purzel füttere. Dass ich diese Zeit von unserer Arbeitszeit abzog, ist selbstverständlich. Trotzdem schrieb sie mir anschließend in einer empörten Mail, ich hätte mich im Lauf des Workshops „um meine Katze gekümmert“, und das sei „ohne Worte“.

Es geht an die Substanz, wenn man morgens nie weiß, ob die Seniorenkatze einem heute wieder um die Beine streicht oder ob sie vielleicht in der Ecke liegt, unbeweglich, nur mehr ein leeres Körperchen, für immer gegangen. Seit es Purzel einmal sehr, sehr schlecht ging, wünsche ich ihr jeden Abend gute Nacht und schöne Träume und füge hinzu: „Und vergiss nicht, morgen ganz fröhlich wieder aufzuwachen“. Bisher hat sie sich immer dran gehalten, aber der Tag wird kommen, an dem sie gehen wird.

Es geht ans Herz…

Es geht ans Herz, wenn man erlebt, wie dieses zähe Wesen mit den vielen kahlen Stellen schnurrt und sich freut, wenn man es hochnimmt und zärtlich hält, es streichelt, es knuddelt, ihm liebevoll Geschichten erzählt.

Es geht ans Herz, wenn sie dann doch etwas frisst, endlich, ein ganz neues Futter oder auch eins, das sie letzte Woche empört verschmähte.

Dieser Lebenswille, der geht ans Herz. Nicht mehr leben, um irgendetwas zu tun, zu erreichen, sondern einfach: Zu leben.
Das habe ich von Purzel gelernt: Leben ist kostbar. Es geht nicht darum, zu leben, um zu – um dies oder jenes zu erreichen. Leben selber ist ein Wert, ein Ziel, ein Geschenk.


 

Viele von Euch teilen Posts mit dem Inhalt: Ich könnte nie meine Katze weggeben oder aussetzen, wenn sie alt geworden ist.
Ich könnte das auch nicht, wie man sieht.

Aber denkt Ihr daran, dass es einen an die Grenzen bringen kann, eine sehr alte Katze zu pflegen? Wenn Ihr eine Freundin habt, eine Schwester, Nachbarin, Bekannte, die eine pflegebedürftige Katze hat – postet nicht, dass Ihr Eure Katze im Alter nicht weggeben könntet, sondern helft ihr, die Scheiße wegzuputzen.

Die Katze wird es Euch danken und Euch an ihrer so einfachen Weisheit teilhaben lassen: Leben ist etwas Wunderbares, auch mit Arthritis, mit Bluthochdruck, mit blinden Augen – freu dich an ihm, sei zäh, wenn’s hart kommt und lebe!